Ein Goldwäscher reist nach Kalifornien

von Victor Jans

Kalifornien ist das Land des Goldes schlechthin. Auslöser war der Goldrausch von 1849, der grösste Goldrausch, den es in der Weltgeschichte je gegeben hat. Als ich 1979 zum Hobby Goldwaschen kam, war der Gedanke nicht weit, eine Reise ins Land des Goldrausches zu unternehmen.
Ich schrieb dem Tourismusbüro von Kalifornien. Neben einigen Werbeprospekten erhielt ich eine Faltkarte zum Highway 49. Über die Zentralbibliothek Zürich konnte ich das Buch von William Clark aus dem Jahr 1970 beschaffen, das die Golddistrikte Kaliforniens minuziös auflistet und beschreibt. Ich fotokopierte das ganze Buch (heute ist es als pdf im Internet). Damals wurde ich lebenslanges Mitglied der Gold Prospector’s Association of America (GPAA).
Es dauerte jedoch 45 Jahre, bis ich eine Reise nach Kalifornien unternahm. Die beiden Unterlagen und die GPAA-Mitgliedschaft waren nun plötzlich «Gold wert».
Nach 14-stündigem Flug (wovon 2 Stunden Wartezeit im Flieger in Zürich) stand ich also im Juli 2024 um 18h Abends am Flughafen San Francisco. Ich holte mein Mietauto ab und fuhr im Abendlicht 3 Stunden landeinwärts bis nach Mariposa. Wieder einmal staunte ich über die Weite der USA. Ohne Auto ist man hier hoffnungslos verloren.
In Mariposa schlich ich gegen Mitternacht in eine AirBnB Unterkunft. Nach faktisch 24 Stunden Wachzeit schlief ich ganz gut. Bei Mariposa (genau Oakhurst) beginnt der Highway 49 – die «Goldstrasse». Diese rund 500 km lange Strasse verbindet die Ortschaften, die im kalifornischen Goldrausch 1849 entstanden sind. Die Wörter «Gold» oder «49er» sind allgegenwärtig für Restaurants, Plätze, Strassen, Firmen, Produkte, etc. und erhöhen die Goldrausch-Stimmung.
Als einziges touristisches Highlight plante ich mir den Yosemite-Nationalpark ein – auch das nicht ganz ohne «Gold-Absichten» dahinter. Ansonsten besuchte ich – mit Ausnahme der «obligatorischen» Museen und State Parks – wohl Ecken dieser Erde, die kaum ein Tourist betritt.
Der Yosemite-Nationalpark lohnt einen Besuch – allerdings muss er vorausschauend geplant und finanziert werden. Ohne Vorreservation mindestens 3 Monate im Voraus kriegt man im Sommer keinen Zutritt. Und dann fällt noch ein Obolus von $ 35 an. All das für ein Panorama, das man im Kanton Wallis oder Graubünden kostenlos zu sehen bekommt. Wirklich sehenswert sind aber die wenigen verbliebenen Sequoia- Riesenbäume bei Wawona im Mariposa-Grove, die bis 2800 Jahre alt werden.


Yuba-Camping: Paleo-Gravel-Turm. Übbereste einer Hydraulic Mine

Auf dem Weg zum Yosemite Nationalpark versuchte ich mich erstmals im Goldwaschen. Die GPAA besitzt dort einen Claim am Merced-River. Zu meiner Freude bewährte sich die US-Goldwaschausrüstung und ich fand sogar einige kleine Goldflitter. Bloss die aus der Schweiz mitgebrachten Fischerstiefel schienen mir etwas obsolet. Die Temperaturen lagen entlang der Bergregion der Sierra Foothills regelmässig zwischen 30 und 35 Grad – im Central Valley bei Sacramento sogar bei 40 Grad.
Solche Temperaturen sind natürlich nicht gerade «Schaufel-freundlich», sodass ich meine Goldsucher-Aktivitäten in der Regel in den frühen Morgen verlagerte. Das Wasser der Flüsse bot eine willkommene Abkühlung. Mindestens einmal im Tag nahm ich nach getaner Schaufelarbeit an jedem Tag ein Bad in einem der kalifornischen Flüsse.
Schon zu Hause stellte ich fest, dass die klassischen Motel-Übernachtungen in den USA für 30 bis 50 $/Nacht der Vergangenheit angehören. Unter 100$ war kaum etwas zu kriegen – und die Zimmer dürften trotzdem noch dieselben sein. Die Google-Kommentare über Bettwanzen verunsicherten mich. Auch freie Campingplätze sind im Sommer absolute Mangelware – wenn man nicht ein Jahr im voraus bucht. Mit viel Glück kriegte ich manchmal einen der wenigen nicht im Voraus reservierbaren «First-Come-First-Served»-Plätze. So stellte ich mich auf «wilde» Outdoor-Übernachtungen ein. Ich organisierte mir ein 1.5 kg leichtes Zweier-Zelt vor Ort und packte die Hiking-Hängematte ins Gepäck. Dank Gratis-Upgrade hatte ich auch noch die Möglichkeit, im Auto zu schlafen. Jede dieser Übernachtungsformen habe ich schlussendlich angewendet und war damit maximal flexibel und unabhängig.


Nevada City: Stampmil Pelton Wheel

Die Mehrheit meiner Reisetage bestand meist aus dem Besuch einiger klassischer Goldrausch-Sehenswürdigkeiten (Museum, Städtchen, State Parks) entlang der Highway 49 und anschliessendem Goldwaschen auf einem GPAA- oder Reinke-Claim.
Die von mir besuchten Goldrausch-Highlights entlang des Highway 49 sind im Video bebildert und waren:

  • Columbia State Historic Park, eine Art Open-Air-Museum einer alten Goldgräber-Stadt
  • Marshall Gold Discovery State Park, der Entdeckungsort des Goldes im Januar 1848
  • Malakoff Diggings State Park: North Bloomfield Hydraulic Mine Pit
  • Bergbau: Kennedy Mine in Jackson, Empire Mine State Historic Park in Grass Valley
  • Typische Goldgräber-Städtchen mit gut erhaltenen ursprünglichen Strassenabschnitten: Mokelumne Hill, Jackson, Auburn, Nevada City, Downieville. Natürlich durfte auch ein Besuch von Sacramento nicht fehlen (Sutter’s Fort).
  • Museen:Tuolumne County Museum in Sonora, Folsom Museum, Placer County, Museum Auburn (eine der wenigen Goldsammlungen), The Goldrush Museum Auburn (sehr anschaulich gestaltet), Downieville-Museum, Underground Museum Alleghany («Goldstufen zum Anfassen»).


Alleghany-Gold in Quarz

Es gäbe noch zahlreiche weitere Museen zu besichtigen. Wirklich viel Gold sieht man in den Museen nicht. Die 49er hatten nichts ausser Gold und mussten es zwingend zu Geld machen. Indem sie mit Gold bezahlten, verrieten sie meist auch, dass es wieder einen neuen Fundort gibt und lösten den nächsten Mini-Rush aus.



North fork Yuba: Gold in der Pfanne

Begegnungen

Auf solchen Gold-Reisen ist es nicht unüblich, einige einschlägige Bekanntschaften mit Gleichgesinnten zu machen. Einige solche Begegnungen sind im Video geschildert. Eine Person, die ich aus Persönlichkeitsschutz nicht im Video portiert habe, sei hier noch geschildert:
Als ich gegen Abend wieder einmal in die Berge fuhr in der Hoffnung, der angezielte
Claim sei goldreich und eigne sich auch für eine Camping-Übernachtung, musste ich
dringend pinkeln gehen. Irgendwie war ich noch nicht ganz aus der Siedlungszone. An jedem abzweigenden Weg war ein Briefkasten zu sehen, der auf ein im Wald
verstecktes Haus schliessen liess. Trotzdem stoppte ich an einem solchen Weg und ging einige Schritte in den Wald hinein. Entlang des kleinen Bächleins zogen Steinhaufen meine Aufmerksamkeit an – wohl Zeugen alter Goldwäschereien. Ich konnte noch nicht zur wichtigsten Verrichtung schreiten, da kam schon ein Fahrzeug aus der Seitenstrasse angefahren und stoppte. Ein älterer Herr rief freundlich aber bestimmt: «Kann ich Ihnen helfen?». So geriet ich peinlicherweise in ein Gespräch und sprach ihn auf die Steinhaufen an. Er bestätigte meine Vermutung und die Gold-Fachsimpelei begann. Er erzählte mir, dass in der Nähe meines anvisierten Claims ein noch älterer Herr als er jeweils den Sommer über am Fluss lebe. Er wasche Gold und ginge einmal pro Monat per Tages-Fussmarsch ins Städtchen, um sein Gold zu verkaufen. Das reiche, um den Winter über nach Arizona zu verreisen.
Ich nahm mir vor, diesen Goldwäscher zu besuchen. Als ich am nächsten Morgen früh nach einem Goldwaschversuch an besagter Stelle dem Fluss entlang lief, entdeckte ich tatsächlich zwei Zelte. Ein älterer Mann mit schlohweissem Bart sass mit asketisch gekreuzten Beinen im Zelteingang. Ich sprach ihn an und tatsächlich war er besagter Goldsucher. Er staunte, dass er offenbar bekannt war und korrigierte einige Aussagen. Er hitch-hike zur Stadt und sei seit vielen Jahren nicht mehr in Arizona gewesen. Er sei ganzjährig hier – auch im Winter. Auf meine Frage, wie kalt es denn werde, meinte er nur: Es bleibt über dem Gefrierpunkt.
Er sah fit und fast ein wenig jugendlich aus – obwohl er bestimmt über 60 ist. Seine überlegten, selbstreflektierenden Aussagen beeindruckten mich sehr. Manche Leute sagen, er sei ein Homeless. Er fühle sich nicht so – obwohl er das in Tat und Wahrheit wohl sei. Schlussendlich könnte er auch vom Staat Geld beziehen, da habe er sich aber dagegen entschieden.
Schlussendlich zeigte er mir sein Gold, das er gestern mit Schaufel und Schleuse
gefunden hatte. Es seien etwa 1 g. Darunter war ein 5 mm-Flitter, stark mit Quecksilber verunreinigt. In der Nähe habe es in der Vergangenheit viele Hydraulic Minen gehabt.
Dann rückte er mit einem grösseren Gläschen hervor, das sein Jahresergebnis sei. Die Goldflitter waren wunderbar glänzend. Er reinige sie mit Erhitzen und Essig.


Downieville


Goldnugget bei Downieville

Packende Vorträge an den Downieville Goldrush-Day

Die Downieville-Goldrush-Days wurden 2024 zum zweiten Mal durchgeführt. Initiator ist Josh Reinke, der neue Redaktor des ICMJ’s Prospecting and Mining Journal (www.icmj.com). Diese «Gold Show» ist ein Markt für Goldwasch-Ausrüstungs-Anbieter.
Bis vor einigen Jahren hat die GPAA jährlich mehrere Gold Shows durchgeführt. Seit die GPAA dies nicht mehr tut, ist ein Bedürfnis für Ähnliches entstanden. So stellten also einige namhafte Hersteller wie Keene Engineering, Gold Cube oder GoldiBox in der Turnhalle von Downieville für 3 Tage ihre Stände auf und demonstrierten ihre Produkte (die drei erwähnten Hersteller sind ausführlich im Video portraitiert).
Am Rande der Goldrush-Days waren äusserst interessante Vorträge zu hören.

Nachfolgend einige Stichworte, die mich beeindruckten:

  • Rick Solenski betreut als Freiwilliger die Facebook-Seite der Sierra County Historical Society. Obwohl er nicht im Sierra County wohnt, tut er dies aus Leidenschaft (Downieville liegt übrigens im Sierra County). Er wollte sich die Mühe nehmen und ein Inventar aller im Sierra County je gefundenen Goldnuggets erstellen, die mehr als 1 Unze (28 g) wiegen. Unter Nuggets versteht er nicht nur Fluss- oder Paleogold-Nuggets, sondern auch goldhaltige Quarzbrocken, die in Minen gefunden wurden. Dazu recherchierte er in allen möglichen Quellen, v.a. aber in alten Zeitungen aus der Goldrausch-Zeit. Bald musste er feststellen, dass 1-oz-Nuggets unzählbar sind. Für die Oldtimer war ein 1-oz-Nugget vermutlich nichts Besonderes. Trotz der unzähligen Funde ist wenig bekannt über Goldsucher, die reich wurden. Rick ist jedoch auf den Fund eines 18-Tonnen-Quarzbrockens in einer Drift-Mine bei Alleghany in den 1850er-Jahren gestossen. Der Fund soll insgesamt 320 oz Gold enthalten haben.Die Finder waren so clever, diesen nicht bekannt zu machen. Stattdessen verkauften sie über mehrere Jahre Babykopf-grosse Quarzstücke an die Münzstätte in San Francisco. Rick’s Fazit: So wurden sie vermutlich sehr reich – blieben aber «undercover».
  • Cal Kelloggs, ein leidenschaftlicher Fischer, Jäger und Goldsucher, berichtete über seine Metall-Detektor-Exkursionen in der Sierra Nevada. Er verwendet seit einiger Zeit den Garret Axiom und bezeichnet ihn als Game-Changer im Vergleich mit dem altbewährten Fisher Goldbug. Cal detektiert mit Vorliebe in alten Hydraulic Mines oder in ehemaligen Waldbrand-Gebieten. Kurz nach Waldbränden fehlt das Unterholz und man erreicht Stellen, die anderen Goldsuchern bisher nicht zugänglich waren. Allerdings erzeuge Holzkohle im Detektor ähnlich Töne wie Gold – also trotzdem nicht das Ei des Kolumbus!
  • Rick wie Cal betonten: “Get out of these creek beds! Gold is on the hill!” Sie sind der Meinung, dass die Flüsse ausgedredged sind. Grosse Funde sind noch in den Bergen in den Paleo-Channels, den Millionen Jahre alten Sedimenten der Ur-Flüssen, möglich.
  • David Lawler, Geologe, erforscht den Paleo-Yuba (Ur-Yuba), den grössten Paleo-Channel in Kalifornien. Er erläuterte seine Entstehung in der Dinosaurier-Zeit, also vor dem Asteroiden-Einschlag vor 65 Mio. Jahren. Vor 40 Mio Jahren begannen die Vulkaneruptionen (Miozän) und deckten einen Grossteil der Paleochannels zu. Um heute an sie zu gelangen, müssen Stollen durch taubes Gestein getrieben werden. Der Ur-Yuba ist ein verästeltes Fluss-System mit einem Hauptkanal und vielen Nebenarmen. In den 1860er-Jahren glaubte ein Geologe, einen solchen Nebenarm in Forest (bei Alleghany) entdeckt zu haben. Nur 12 Leute vertrauten ihm und engagierten sich als Aktionäre an der neu gegründeten Bergbaufirma Bald-Mountain Mines. Doch es stellte sich heraus: Er hatte Recht. Es kamen Handflächen-grosse Nuggets zum Vorschein. Die 12 Aktionäre wurden allesamt sehr, sehr reich. Die reichen Drift-Mines um Allgehany (Ruby, Bald-Mountain) sind heute still gelegt. Der Museumskonservator in Alleghany verriet mir, dass die Chinesen vor einigen Jahren die Rechte an der Ruby-Mine gekauft hätten. Er meinte, die warten nur bis der Goldpreis stimmig ist, dann geht’s wieder los.
  • Clark Pearson ist der Chef-Jurist der Freiwilligen-Organisation «Public Lands for the People» (PLP). Er referierte über Reclamation Dredging («Wiedergutmachungs-Dredging»). Der Staat Kalifornien verhängte im Jahr 2009 ein Moratorium über das damals sehr beliebte Dredging – das Goldwaschen mit einem «Flusskies-Staubsauger». Die Fischerei-Behörde stellte die These auf, Dredging schade den Fischen (obwohl dies bis heute nicht wissenschaftlich bewiesen ist). Seither muss zum Dredgen eine Bewilligung beantragt werden. Der Staat Kalifornien stellt jedoch keine Bewilligungen aus – sodass Dredging faktisch verbannt ist (Ein PLP-Vertreter mir gegenüber: «Dieser Staat ist korrupt!»). In den USA stehen sich Bergbau-Recht (Miner’s Law von 1879) und die Fischerei-Gesetzgebung gegenüber. Auf Grund des sehr starken Bergbau-Gesetzes kann der Staat Dredging nicht verbieten – aber regulieren. Er tut dies auf diese sehr unschöne Art. Seit 2009 kämpfte PLP gerichtlich gegen den Staat Kalifornien. Erste Erfolge zeigt jedoch eine Idee, die eine Art Win-Win-Situation für Staat und Goldsucher schafft. Die Dredges sind heute so gut, dass damit 99% der Metalle aus dem Fluss aufgesammelt werden können. Weil Dredges das Kies ansaugen, kann damit viel gründlicher gearbeitet werden als mit einer Hand-Schleuse. In den Kalifornischen Flüssen liegt auf Grund des intensiven Bergbaus in und nach der Goldrausch-Zeit sehr viel Quecksilber, Blei und andere Schwermetalle am Flussuntergrund. Vor allem die Hydraulic Mines verursachten Mengen an Quecksilber-Abfällen. Quecksilber kann im Fluss bis 1 Tausendstel Millimeter klein werden und dringt damit in die Nahrungskette.  «Reclamation Dredging» ist nun definiert als das Entfernen von Quecksilber und giftigen Metallen aus den Flüssen. Dazu erteilt die Behörde die Bewilligung. Allerdings sind die Auflagen streng: Unter anderem muss systematisch ein ganzer Flussabschnitt (z.B. Claim) in vernünftiger Zeit durch-gedredged werden und die entnommenen Metalle sind gegen schriftlichen Beleg den Entsorgungs-Stellen abzugeben. Das ganze muss also gut dokumentiert sein. Das Gold – kein gefährliches Metall – darf allerdings behalten werden. Inzwischen kam es gar vor, dass der Staat Kalifornien einen ersten Goldsucher zwecks Reclamation Dredging entschädigt hat. Der Staat hat für solche «Umwelt-Reinigungs- Projekte» einen Fonds von $ 2.8 Mrd. Für die lange verschmähten Dredger könnten unverhofft goldene Zeiten anbrechen!

Coloma Gold Discovery State Park

QR-Code des Videos:

1 Kommentar zu „Ein Goldwäscher reist nach Kalifornien“

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen